15. November 1969Neulich suchten wir etwas, um eine Lücke im Bulletin zu füllen, und man brachte mir diesen Text von Sri Aurobindo:
Das ist interessant.
Ja, das ist eine Antwort für heute. Es scheint, dass er in vielen eigenhändig geschriebenen Dingen sagt: "Sri Aurobindo hat gesagt", er spricht so von sich selbst: Sri Aurobindo hat gesagt.
Er tat es, um das "Ich" zu vermeiden - ich glaube, das ist es. Damit kein Gefühl eines "Ich" dabei aufkommt. Oder aber das Bewusstsein spricht durch ihn: "Sri Aurobindo hat gesagt"; weil Sri Aurobindo gefragt wurde und das Bewusstsein antwortet. So ist das. Dies bedeutet, dass diese Dinge direkt von oben kommen. (Schweigen) Hast du etwas Besonderes gebracht?... Ich habe nichts, außer etwas ganz Kleinem: Letzte Nacht kam zum ersten Mal während fast zwei Stunden ... Ich war einfach, wie ich immer bin, ruhig, und die Kraft ... ich war wie ein Schwamm. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll; es war nicht so, als käme sie "von oben", auch nicht so (seitliche Geste), aber sie trat ein. Ich war wie ein Rohr, und dann strömte sie unentwegt hinaus ... Eine Stunde lang drang diese tiefgoldene Kraft hinaus und verbreitete sich in der ganzen Welt. Es ist das erste Mal, dass ich dies physisch gespürt habe. Ich spürte es physisch. Es war von einer außergewöhnlichen Macht. Als sei der Körper ... ein Wasserhahn oder ein Rohr, verstehst du - es kam von keiner bestimmten Stelle, sondern ich war sozusagen da hinein getaucht, und es floss in Strömen durch mich hindurch (Geste durch Mutter hindurch, sich überallhin verbreitend). Mehr als zwei Stunden lang, früh morgens, zwischen ein und vier Uhr (ich weiß es nicht genau). Mir schien, als hätte es mindestens zweieinhalb Stunden so angehalten. Und ich sah die Kraft. Der Körper diente lediglich als ein Mittel, um die Erde zu erreichen - es kam, und von hier floss es hinaus und verbreitete sich. Und es ging ... ich sah, wie es zu all jenen ging, die riefen. Es wurde von einem äußerst bewussten Bewusstsein gelenkt, während ich ganz ruhig blieb (lachend), ich war nur das Rohr. Das ist alles, was ich sagen wollte. Es ist das erste Mal, dass dies physisch geschieht. Es war physisch. (Schweigen) Geht es dir nachts besser? Hast du keine Träume gehabt?
Keine Fortsetzung von dem, was du sagtest?
Sieh an!... Ich habe ihn noch nie nachts gesehen, kein einziges Mal. Und deine Nächte sind gut?
Gut. Ich habe das Gefühl, dass ein Druck herrscht, damit die Dinge schneller gehen. Und die physische Natur verhält sich Unpässlichkeiten gegenüber aus Gewohnheit argwöhnisch, sonst ... Ich habe beobachtet, dass viele Unpässlichkeiten einen bestimmten Zweck haben, um Änderungen in gewissen Dingen herbeizuführen. Ich habe dir das schon letztes Mal erzählt. Seit diesen beiden Vorfällen (den Nervenschmerzen) ist es nicht mehr wiedergekommen, und ich erhielt den Beweis, dass es in einer der Personen einen beträchtlichen Wandel bewirkte; beim anderen weiß ich es noch nicht, ich habe ihn nicht wiedergesehen ... Das liegt daran, dass das Physische von Natur aus ein wenig ängstlich ist. Und jetzt lernt es - es lernt. Auch ist es in seiner Funktionsweise misstrauisch gegenüber allem Neuen, d.h. wenn in dem, was als "normal" gilt, ein Wandel eintritt, wird es misstrauisch, es fragt sich, ob ... Ich weiß nicht, ob alle physischen Körper so sind, aber ich merke, dass andere beim kleinsten Hauch dessen, was ich jetzt die ganze Zeit habe, brrr! daraus eine Geschichte machen, als ob sie sehr krank würden. Daher denke ich, dass es ziemlich allgemein ist. Zuerst wollte ich meinen Körper ausschelten und ihm sagen: "Du bist ein Feigling!" (Mutter lacht) Aber der Arme, ich glaube, es ist ganz allgemein. Seine spontane Reaktion, was immer auch geschieht (gut, schlecht, schwierig, alles), ist sofort: Aspiration, Anrufung, Ausdruck des Vertrauens, was sich nicht in Worte überträgt, sondern: "Dein Wille geschehe!" - leuchtend. Und ich habe den Eindruck, dass es schnell geht - es MUSS schnell gehen. (Schweigen) Was die Haltung gegenüber den Umständen und dem Charakter der anderen betrifft, da hat man diesen wunderbaren Atavismus, der so "natürlich" ist, dass man ihn nicht einmal bemerkt, und jetzt ... Jahrelang habe ich mir das angeschaut, und weißt du, wenn man als Bourgeois geboren ist, bleibt man schrecklich bürgerlich und merkt es nicht einmal. (Mutter lacht) Das ist so lächerlich!... Hier, bei den Indern, habe ich bemerkt, dass sie den Atavismus ihrer Kaste haben; selbst wenn sie ausdrücklich aus dem Kastensystem ausgetreten sind, haben sie diesen Atavismus. Dann begann ich genauer hinzusehen, und da bemerkte ich, dass es bei mir dasselbe ist. Man ist bürgerlich geboren, und man bleibt schrecklich bürgerlich, schrecklich - lächerlich. Das verschwindet mit einem Lächeln. Es zeigt sich in der Beziehung zu den anderen. Ich weiß nicht, ob es bei deiner "Bürgerlichkeit" so ist: dieses Misstrauen gegenüber dem Typ des Abenteurers.
Das ist es. Alles, was nicht "fest anerkannt" ist. Ich sah das. Aber jetzt ist das vorbei. Jetzt kann man all dies sehen und darüber lächeln - all das ist vorbei. Beim HANDELN (im Denken ist davon schon lange keine Rede mehr), aber beim Handeln, im Umgang mit den anderen - da kann man sich dabei ertappen ... Amüsant. (Schweigen) Und Auroville ist ein großes Abenteuer. Ich sehe, wie es sich organisiert, das ist wirklich interessant [[Vergleiche im Anhang die neuesten Notizen Mutters über Auroville]]. Hast du den Perser getroffen?
Er ist kein Intellektueller.
Er ist ein Erfinder, ein Mann der Aktion - ich könnte sagen, ein "Erfinder-Abenteurer", aber ich sage es nicht: er ist ja noch hier! (Mutter lacht) Aber es ist wirklich interessant.
Oh ... er will beim Bau Aurovilles "helfen". Er hat bereits eine Gesellschaft gegründet: "Auroville International". Er wird seine Tätigkeit aufnehmen - er reist in alle Länder. Der Mann spricht vier oder fünf Sprachen, und er hat das Mental eines Erfinders; es scheint, seine Erfindung ... hiesige Ingenieure haben sich das angesehen, und sagten, es sei bemerkenswert, folglich ... Ich kann das nicht beurteilen. Es betrifft diese Geräte (Mutter deutet auf das Tonbandgerät), es ist eine Neuerung der Aufnahme- und Wiedergabegeräte. Er organisiert gern, aber er ist ... eben so: er liebt das Abenteuer, das liegt in seinem Temperament (im Grunde sind Erfindungen Abenteuer, und er ist so). Er gründete bereits diese Gesellschaft, die "Auroville International" heißt, mit Mitgliedern in Europa und Sitz in den Vereinigten Staaten ... alles nur Erdenkliche. Ich schaue dem zu und amüsiere mich sehr. Äußerlich ist er sehr ergeben und sehr willfährig, aber ... Bis jetzt habe ich keine Beweise, dass es etwas anderes als der "notwendige Anschein" ist. Aber er ist nett, wirklich ein Mann guten Willens ... Ich sehe ihn immer mit einer Feder auf seinem Hut. Wir werden sehen.
Oh, er reagierte, er "kennt sich aus", mein Kind. Er sagte: "Das ist sehr schön" - in überzeugtem Tonfall. Aber ... ich weiß nicht, danach habe ich ihn nicht lange genug gesehen, um festzustellen, ob er seinen Standpunkt geändert hat. Ich glaube, es veranlasste ihn, sich ein wenig in sich selbst zurückzuziehen, ich spürte eine innere Reaktion in ihm. Ich sah, dass er mir gegenüber ein wenig vorsichtig geworden ist. Vielleicht gab ihm das den Eindruck, dass ich ihn durchschaue. (Mutter lacht) Aber er gehört zu der Art Leute, die hinsichtlich des Geldes wirklich nicht bürgerlich sind, d.h. sie betrachten es nicht als irgend jemandes persönliches Eigentum. Ich ertappte mich dabei (gerade durch seine Einstellung) ... Ich habe mich selbst bemüht, zu dieser Haltung zu gelangen: dass das Geld eine Kraft ist, die zirkulieren muss und kein persönlicher Besitz sein darf; im Bewusstsein geht dies leicht, aber der Körper hat seine alte Gewohnheit, und er bemerkte, dass sich dieser Mann in so einem Zustand befindet: für ihn ist das Geld eine Kraft, die zirkulieren muss, es muss dahin gehen, wo es gebraucht wird, es gehört nicht diesem oder jenem - der Körper hatte also zunächst die Reaktion: "Achtung, ein Abenteurer!" (Mutter lacht). So ertappte ich mich selber, ich sagte (lachend): "Siehst du, du predigst, und wenn jemand das tut, was du sagst ..." Ich fand dies sehr amüsant. Aber ich sah, dass er sich für Auroville begeistert, und das scheint völlig aufrichtig zu sein, er sagte sogar, genau das habe er seit langem gesucht. Er geht also mit Enthusiasmus dorthin. Er selber hat kein Geld ... Er war Minister in Persien, aber es gab Revolutionen, und nun lebt er in Amerika. Aber er ist ein Mann, der es gewohnt ist, Geld zu handhaben. Genau da ertappte ich mich, das amüsierte mich sehr. Ich sagte mir: "Sieh an, du hast den Mann getroffen, der dich versteht!" (Mutter lacht) Das ist amüsant. Dieses Auroville wird eine sehr interessante Erfahrung sein.
Nein, gewiss nicht!... Ach, es gibt schon viele kleine Aurovillianer. Aber weißt du, es gibt welche darunter, die vom Standpunkt des Bewusstseins aus wirklich bemerkenswert sind - kleine Dreikäsehochs, aber schon so bewusst! Ganz erstaunlich. Vor einigen Tagen hielt ich ein kleines Tamilenbaby in den Armen, winzig klein, wie eine Puppe - entzückend geformt, mit zarten Füßchen -, und ich wollte mit diesem Kind ein Experiment machen: ich nahm es auf den Schoß und ließ die Kraft wirken - die Verwandlung seines Ausdrucks hättest du sehen sollen! Seine Augen sind noch nicht geöffnet, und es war, als sei ein seliger Frieden über es gekommen. Ich fragte mich: "Schläft es, oder ist es bewusst?" Also berührte ich seinen Fuß - es fuhr zusammen, d.h. es schlief überhaupt nicht. Ein entzückender Gesichtsausdruck, wirklich wunderbar! Ich kenne ein anderes Baby, das noch nicht einmal zwei Jahre alt ist, aber es schaut und handelt wie ein Kind von fünf Jahren. Trotz allem geschieht also etwas. Und die letzte Erfahrung war mit einer Frau, die mit der "Karawane" gekommen ist: Sie bekam ihr erstes Kind in Frankreich und litt dabei fünfunddreißig Stunden. Ihr zweites bekam sie hier (vorgestern, glaube ich): innerhalb einer Stunde, ohne Schmerzen. Eine Stunde nach der Entbindung war sie schon wieder auf den Beinen. Sie sagte: "Das verdanke ich Mutter, denn sonst weiß ich nicht, wie das geschehen konnte." Es geschieht etwas.
(Mutter geht in eine lange Kontemplation; Satprem spürt dabei eine sehr mächtige schöpferische Kraft.)
Was denn?
Ja, das wäre gut.
Oh, wenn du ... (wie soll ich das nennen?) sozusagen die Zwischenstufe herauskristallisieren könntest; den nächsten Schritt in Worte setzen, um diesen Leuten etwas zu geben, das sie sehen können, das sie ... Sie stecken in einer ... großen Verwirrung. Was du da geschrieben hast ("Der große Sinn"), ist schon sehr gut, aber es müsste noch etwas anderes sein. Es wird kommen, wenn du ...
Ah?
Gedicht? Hast du schon Gedichte geschrieben?
(Nach einer Stille) Es wird kommen, es wird kommen. Gerade eben gab es eine sehr starke Gegenwart. Es wird gewiss kommen. [[Im nächsten Jahr (neun Monate später) wird die Inspiration zum Buch Die Entstehung des Übermenschen Satprem überfallen (auf deutsch erschienen als Der Sonnenweg).]]
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Addendum (Neuere Notizen Mutters über Auroville)
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